Zitate von: Zusammenhänge der zehn ursprünglichen Adverse Childhood Experiences (ACEs) mit Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit nach einer Kontrolle der anderen ACEs (Metaanalyse)

Schuster, Filip
Type of WorkMetaanalysis
Publication LanguageDeutsch

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Einige Zitate

Tabelle 5: 

Rangreihenfolge der bereits in Tabelle 4 aufgeführten Zusammenhänge der zehn ursprünglichen ACEs mit Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit nach einer Kontrolle von mehr als den jeweils neun anderen ursprünglichen ACEs

(Pearson-Korrelationskoeffizient r, jeweils Median der in den Einzelstudien angegebenen Effektgrößen bzw. der Mediane dieser Effektgrößen)

ACE r

Emotionaler Missbrauch = 0,10
Emotionale Vernachlässigung = 0,10
Mentale Probleme Haushaltsmitglied = 0,08
Körperliche Vernachlässigung = 0,07
Körperlicher Missbrauch = 0,06
Alkohol-/Drogenabhängigkeit Haushaltsmitglied = 0,04
„Sexueller Missbrauch“ = 0,04
Trennung/Scheidung der Eltern = 0,04
Miterleben von Gewalt gegen die Mutter/Eltern = 0,01
Inhaftierung Haushaltsmitglied = -0,01

Das Hauptergebnis dieser Metaanalyse ist ein insgesamt sehr kleiner Zusammenhang zwischen den zehn ursprünglichen ACEs und Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit nach einer Kontrolle von mehr als den jeweils neun anderen ursprünglichen ACEs (Median r=0,05). 

Dieser Zusammenhang ist bei den fünf Missbräuchen und Vernachlässigungen mit r=0,07 (Median) größer als bei den fünf anderen ursprünglichen ACEs des Bereiches household dysfunction mit r=0,04 (Median). Bei den ACEs Miterleben von Gewalt gegen die Mutter/Eltern (r=0,01) und Inhaftierung eines Haushaltsmitgliedes (r=-0,01) besteht nach den Ergebnissen dieser Metaanalyse kein Zusammenhang mit (langfristigen) Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit. 

Die entsprechenden Zusammenhänge sind auch bei den ACEs „sexueller Missbrauch“ (r=0,038), Scheidung/Trennung der Eltern (r=0,037) und Alkohol-/Drogenproblem eines Haushaltsmitgliedes (r=0,038) sehr klein und in einem Bereich, der auch wegen der nicht unfassenden Kontrolle von Störvariablen keine sicheren Aussagen über langfristig bedeutsame Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit zulässt. 

Demnach kann nach den Ergebnissen dieser Metaanalyse bei fünf der zehn ursprünglichen ACEs nicht gesichert von langfristig bedeutsamen negativen gesundheitlichen Folgen ausgegangen werden. 

Hinzu kommt: Die freiwilligen sexuellen Handlungen von „Minderjährigen“ und (wesentlich älteren) Erwachsenen, die die ACE „sexueller Missbrauch“ in ihrer rsprünglichen Konzeption überwiegend ausmachen (Rind, 2022; Rind, 2023a), scheinen nach der Mehrheit der wenigen zu dieser Frage vorliegenden Studien insgesamt keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei den betroffenen früheren „Minderjährigen“ zu verursachen (... ... ...). Der bisherige ACEs-Ansatz ist grundsätzlich zu überdenken.

[… … …]

Diese Metaanalyse hat mit r=0,04 (ungerundet r=0,03775) nur einen sehr kleinen Zusammenhang zwischen der ACE „sexueller Missbrauch“ von „Minderjährigen“ und Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit nach einer Kontrolle von mehr als den neun anderen ursprünglichen ACEs ermittelt.

[… .. …]

Sechs der acht Studien haben also übereinstimmend nur minimale oder sehr kleine Zusammenhänge festgestellt. […] Die Zahlen stimmen aber mit dem Forschungsstand überein. Viele weitere Einzelstudien haben nach einer Kontrolle von Störvariablen keinen statistisch signifikanten Zusammenhang von (unterschiedlich definiertem) „sexuellem Missbrauch“ von „Minderjährigen“ und gesundheitlichen und anderen Beeinträchtigungen festgestell.

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Rind u. a. (1998) stellten bivariat einen kleinen Zusammenhang (r=0,09) von „sexuellem Missbrauch“ von „Minderjährigen“ und Beeinträchtigungen in College-Stichproben fest. Nach einer Kontrolle eines Teils der relevanten Störvariablen waren die Zusammenhänge mit den diversen Beeinträchtigungen überwiegend nicht mehr statistisch signifikant.

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Handlungen von „Minderjährigen“ und Erwachsenen sind nach repräsentativen Studien (Felson u. a., 2019; Rind, 2022; Rind, 2023a) überwiegend nichterzwungene und häufig von den „Minderjährigen“ genossene sexuelle Handlungen, was zu den sehr kleinen multivariaten Effektgrößen beiträgt.

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Der von dieser Metaanalyse ermittelte sehr kleine, in anderen Zusammenhängen zurückgehend auf Cohen (1988, S. 104) oft als „trivial“ bezeichnete Zusammenhang (r=0,04) zwischen der ACE „sexueller Missbrauch“ von „Minderjährigen“ und Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit wurde für diese Variable insgesamt ermittelt und gilt möglicherweise und grundsätzlich nicht für Untergruppen dieser Variable.

Ob speziell die freiwilligen sexuellen Handlungen von „Minderjährigen“ und (wesentlich älteren) Erwachsenen positive oder negative Folgen für die mentale (auch sexuelle) Gesundheit der „Minderjährigen“ haben, ist wissenschaftlich nicht durch quantitative, die Gene und Störvariablen umfassend kontrollierende Studien geklärt. Der gegenwärtige

Forschungsstand ermöglicht für die freiwilligen Handlungen keine Angabe einer Effektgröße, was auch für Justizprozesse wichtig ist.

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Die in der Literatur anscheinend vorherrschende Sichtweise, dass freiwillige sexuelle Handlungen von „Minderjährigen“ und Erwachsenen negative gesundheitliche Folgen für die betroffenen „Minderjährigen“ hätten, ist nur eine Vermutung und nicht durch aussagekräftige wissenschaftliche Studien belegt.

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Freiwillige sexuelle Beziehungen von „Minderjährigen“ und Erwachsenen finden gegenwärtig in einem extrem pädophob-vergifteten Klima statt, was Folgen für die Entstehung und die Folgen dieser Beziehungen hat. Empirische Studien können zwangsläufig nur die gesundheitlichen und anderen Folgen dieser Beziehungen in dem real existierenden gesellschaftlichen Klima messen und nicht die Folgen, die sich in einer Gesellschaft zeigen würden, die diese Beziehungen achtet und fördert.

Empirische Studien messen also nicht die Folgen dieser Beziehungen und sexuellen Handlungen an sich, sondern immer nur die Folgen dieser Beziehungen und sexuellen Handlungen unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen.

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Bedacht werden muss aus meiner Sicht auch dies: Der Zusammenhang zwischen der ACE „sexueller Missbrauch“ mit Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit nach einer Kontrolle der anderen neun ursprünglichen ACEs beträgt in dieser Metaanalyse r=0,081. Bereits wenn danach zusätzlich eine einstellige Anzahl von weiteren ACEs kontrolliert wird, reduziert sich dieser Zusammenhang auf r=0,036 [...] 

Man kann nicht ausschließen, vielmehr erscheint es wahrscheinlich, dass sich bei einer zusätzlichen Kontrolle weiterer ACEs und anderer Störvariablen und der Gene die Effektgröße der ACE „sexueller Missbrauch“ dem Nullpunkt annähern wird. 

Auch deshalb gibt es gegenwärtig keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass die ACE „sexueller Missbrauch“ (bzw. die ihr zugeordneten sexuellen Handlungen) langfristig in bedeutendem Ausmaß mentale Beeinträchtigungen verursachen würde. Wissenschaftlich nachgewiesen ist nur eine sehr kleine Assoziation der unabhängigen Variable „sexueller Missbrauch“ und diverser abhängiger Variablen. Die Ursachen dieser Assoziationen sind ungeklärt.

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Es stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Effektgrößen die ACEs-Forschung als Nachweis eines bedeutsamen ursächlichen Zusammenhanges ansehen sollte. Nach Cohen (1988) sind Effektgrößen von r=0 in der Praxis der Verhaltenswissenschaft nicht erreichbar; Effektgrößen bis r=0,10 bezeichnete Cohen in einem Zusammenhang als „trivial klein“ („trivially small“, Cohen (1988) S: 104) und als Nachweis eines nicht existierenden Zusammenhanges. 

Auch da sich mögliche ursächliche Folgen von ACEs auf sehr viele unterschiedliche Beeinträchtigungen beziehen könnten, erscheint der Schwellenwert von r=0,10 als eindeutig zu hoch für Bedeutsamkeit. Wichtig erscheint, ob die entsprechende Effektgröße nach einer umfassenden Kontrolle von Störvariablen ermittelt wurde. 

Dies ist bei den Studien dieser Metaanalyse wie anscheinend auch in den anderen ACEs-Studien nicht der Fall. Metaanalytisch ermittelte ursächliche Effektgrößen der ACEs-Forschung im Bereich von r=0 bis r=0,050 sind aus meiner Sicht gegenwärtig ein Nachweis eines nicht vorhandenen oder zumindest eines unsicheren ursächlichen Verhältnisses. Bei diesen sehr kleinen Effektgrößen bleibt gegenwärtig unklar, ob die Zusammenhänge durch residual confounding und anderen Bias verursacht wurden (Christenfeld u. a., 2004).

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Die ermittelten multivariaten Zusammenhänge der Metaanalyse geben wegen der vielen nicht kontrollierten Störvariablen (u. a. Gene, weitere ACEs, gesundheitliche Unterschiede vor dem Erleben der ACEs, Schutzfaktoren und Störvariablen im Erwachsenenalter) nicht die ursächlichen Zusammenhänge zwischen den ACEs und den mentalen Beeinträchtigungen wieder und müssen im Gesamtzusammenhang interpretiert werden.